Untergiesing – unser „Dorf“ ist ein Münchner Kleinod
1854 kamen die Dörfer Giesing, Au und Haidhausen zum Münchner Stadtgebiet. Untergiesing entwickelte sich zum großen Teil aber erst im 19. und 20. Jahrhundert; kleine Herbergen als Arbeiterwohnungen waren typisch. Als ich 1989 in die Jamnitzerstraße gezogen bin, habe ich mich hier gleich zuhause gefühlt. Der ganze Stadtteil hatte etwas angenehm überschaubares, ja einen dörflichen Charakter, kleine Geschäfte wie z.B. Schneidereien, Metzgereien, Kneipen. Nachbarn grüßen sich und beim Einkaufen oder Gassigehen mit dem Hund traf man immer bekannte Gesichter und konnte einen kleinen Ratsch halten. Viele BürgerInnen wohnen hier schon seit Jahrzehnten oder sind hier aufgewachsen. Sie lieben ihr „Dorf“ und möchten hierbleiben, in ihren Wohnungen mit den begrünten Innenhöfen und dem alten Baumbestand, auf ihren Balkonen auf denen Eichhörnchen, Spechte, Amseln, Meisen und viele weitere Arten zu Besuch kommen. Die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt in diesem Stadtviertel, der Auer Mühlbach und die Isar so nah; all das bedeutet hohe Lebensqualität.
An der Ecke Jamnitzerstr./Pilgersheimer Str. gab es früher die Institution Burg Pilgersheim, eine gemütliche Gaststätte auch mit Public Viewing; z.B. wurden die Sechz’ger Spiele und Spiele des FC Bayern gezeigt. Das es Veränderungen bei Läden und Lokalen gibt, ist (leider) die normale Entwicklung. Allerdings stellt sich die Frage, welche Veränderungen ein Gewinn für die Einwohner darstellen. In der Hans-Mielich-Str. gab es kleine Geschäfte z.B. Schneidereien, die heute von Architekturbüros und Inneneinrichtern besetzt werden. Auch die Filmschaffenden drehen hier gerne; z.B. die TV-Serie „München Mord“ wurde in der Jamnitzerstr, Pilgersheimer Str. und am Hans-Mielich Platz gedreht, ebenso „Die Chefin“ mit Katharina Böhm. Man schätzt das gewachsene, ursprüngliche und charmante Ambiente in Untergiesing, ohne riesige Hochhauswohnanlagen oder Schickimickikultur.
Natürlich schafft die Bebauung des ehemaligen Osram Firmengeländes und das Hans-Mielich-Karree am Candidplatz Wohnraum, andererseits wird den Bewohnern in den letzten Jahren und aktuell eine Menge an Baulärm, hohem Verkehrsaufkommen, vollen U-Bahnen und Bussen und insgesamt viel Unruhe zugemutet. Ich frage mich zunehmend, was macht eine Wohnlage begehrt? Was macht ein Viertel liebens- und lebenswert? Welche Frei- und Spielflächen für Kinder und Jugendliche sind vorhanden? Bei allem Verständnis für die Schaffung von neuem Wohnraum, empfinde ich die jetzige Planung „Candidtor+Freifläche“ als vollkommen unpassend für Untergiesing und vor allem überdimensioniert. Abgesehen davon, dass ein „Candidtor“ noch dazu mit Büroflächen kein Mensch in unserem schönen Stadtviertel braucht.
Hier sollte die Stadt München sich nicht zum „Erfüllungsgehilfen“ eines Investors machen lassen, der nur eine möglichst hohe Rendite für seinen Immobilienfonds im Sinn hat und sicher nicht das Wohl der AnwohnerInnen.