Starkes Zeichen an den Stadtrat: BA 18 stellt sich gegen das „Candidtor“
Die Investoren versuchen derzeit, mit Unterstützung der Münchner Stadtbaurätin Elisabeth Merk, ein beschleunigtes Zulassungsverfahren zum Bau des Büroturms durchzusetzen. Mit diesem Verfahren soll die Änderung des Bebauungsplans ermöglicht werden – und zwar ohne eine umfassende Prüfung der Auswirkungen auf unser Viertel. Umwelt, Luftqualität, Verkehrsbelastung? All das soll übersprungen werden.
Dazu erhielt der Bezirksausschuss einen Beschluss des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung zur Zustimmung vorgelegt. Am Dienstag (23.09.) sollte der Bezirksausschuss darüber abstimmen. Wir fragen uns: In wessen Interesse agiert die Stadbauträtin hier? Für die Umwelt? Für die Nachbarschaft? Recht offensichtlich nicht.
Große Beteiligung und kritische Diskussionen
Zur Sitzung des Bezirksausschusses erschienen daher über 20 Anwohnerinnen und Anwohner, die die Themen „Südlicher Candidplatz“ und „Candidtor“ diskutieren wollten. Es gab viele kritische Fragen. Die Vertreterin des Baureferats bemühte sich um Antworten, blieb aber häufig sehr vage. Sowohl die Bürgerschaft als auch die Mitglieder des BA stellten weitergehende Fragen zu den bekannten Problemen. Daraus entwickelte sich eine intensive Diskussion, die zweieinhalb Stunden andauerte. Das Ergebnis: Der BA hat den vorliegenden Beschlussentwurf für den Stadtrat zur Änderung des Bebauungsplans mehrheitlich abgelehnt! Gleichzeitig griff der BA in seiner Stellungnahme mehrere unserer Forderungen und Vorschläge auf.
Von der SPD kam vor allem Kritik bezüglich fehlender Freiflächen für Jugendliche und recht brisant – bezüglich der nicht gemessenen Folgeschäden für umliegende Gebäude, wenn Hochhäuser gebaut werden:
Helga Hügenell, SPD im BA18: “Meine Bitte wäre, bei Punkt 6, der Erhalt der Jugendspielflächen. Für uns ist besonders wichtig: Sie sollten, sie müssen unbedingt auf der Fläche selber und im nahen Umfeld verstetigt werden. Weil die wird eh verkleinert, nicht sollte, sondern müssen. Weil es in der Vorlage so drin, wie wichtig das ist, muss man ändern und „plus, im näheren Umfeld und möglichst groß a (auch)”. Ich habe auch ganz große Bauchschmerzen, muss ich ganz ehrlich sagen, nach der Erfahrung, was man ja nicht nachweisen kann. Ähh, bei der Osram Bebauung a wieder mit dieser prägnanten doch angedeuteten Hochhausbebauung, was das teilweise für Risse, Veränderungen im Grundwasser gebracht hat. In der Umgebung wo Eigentümer sich extrem schwer tun, diesen Nachweis zu erzeugen, wir wohnen auf der anderen Seite von Osram, seit ein paar Jahren haben, wir ständig in unserem Haus Risse, die hatten wir früher nicht, weil sich einfach ein anderer Druck ergibt, der ganz schwer zu messen ist, nachzuweisen ist, die Veränderungen im Grundboden usw. Ein Nachbar, die weiter vorn zum Ring wohnt, hat mir ähnliches bestätigt und da eben Nachweis zu erbringen, was das an Schäden bedeutet.
Natürlich gab es auch Stimmen für das Projekt. Die CSU stimmte offiziell zu – im Nachgang der Sitzung wurde jedoch eingeräumt, dass die geplante Höhe problematisch sei. Warum dies nicht offen im BA gesagt wurde, blieb unbeantwortet. Ebenfalls sollten wir uns nach Andreas Babor (CSU) doch glücklich schätzen, dass wir so einen zuvorkommenden Investor für das Bauvorhaben hätten, der über die Geschicke in unserem Viertel entscheide und überhaupt städtebauliche Verträge schließt.
Eine Anwohnerin meldete sich zudem mit Informationen die sie über den Bund Naturschutz erhalten hatte, und von einem Anwalt bestätigt wurden: “Der Begriff “Bürokratieabbau” als Argument für ein beschleunigtes Verfahren ist ihnen bekannt: Bei der Großmarkthalle ist mit der selben Argumentation die Umweltprüfung schon umgangen worden. Der Bund Naturschutz sieht dieselbe Gefahr am Candidplatz!” Die Grünen bestätigen dies:
Dr. Anais Schuster-Brandis, Vorsitzende BA 18, Grüne: “Das stimmt so. Wir haben uns als Grüne auch dagegen ausgesprochen. Steht so auch in unserer Stellungnahme drin.“
Stadbaurätin fordert Studien zu Luft, Lärm und Grundwasser zu überspringen – im Namen eines klimagerechten Münchens
Bereits vor zwei Jahren hatte der BA das Projekt in dieser Höhe und diesem Volumen klar abgelehnt. Nun wurde ein Beschlussenwurf erneut eingereicht – erstaunlicherweise über die Stadtbaurätin Prof. Dr. Merk. Diesmal nicht nur zur Diskussion, sondern gleich mit dem Ziel einer bestätigenden Unterschrift des BA, um ein gesondertes beschleunigtes Verfahren zu unterstützen.
Eilig ist, was besonders drängt, sprich, was besonders wichtig ist. Das Dokument selbst listet in unseren Augen sehr viele eilige, dringende Punkte. Seien es Fragen der Luftqualität, der Verkehrssituation, der Ökologie oder des Lärms.
So brachte eine Nachbarin, deren Tochter unter Asthma leidet, die seit 2022 von Anwohnerinnen und Anwohnern geforderten Luftqualitätsuntersuchungen ein. Zur Luftqualitätsmessung wurde vom Baureferat lediglich darauf hingewiesen, dass doch an der Tegernseer Landstraße gemessen werde (Messwert knapp unterhalb der Belastungsgrenze). Dass diese Messung jedoch zu wenig aussagekräftig für die Luftverschmutzung am Candidplatz ist, sollte jedem klar sein. Nach den Protesten bei der BA-Sitzung, soll es nun auch am Candidplatz Messungen geben. Weiterhin wurden Fragen gestellt, wie denn das zu erwartenden Verkehrschaos am Candidplatz in Griff bekommen werden solle. Ein Gebäude mit dem dreifachen Volumen des jetzigen, mit expliziter Ausrichtung auf Büro- und Verkaufsflächen, erhöht notwendigerweise den motorisierten Individualverkehr.
Unverständlich ist auch, warum die Stadtbaurätin es für zulässig empfindet, dem Investor bei den Auflagen für den Bau zur Hand zu gehen, indem Ausgleichsflächen für den Bau auf städtischem Boden zur Verfügung gestellt werden sollen.
Mit eilig meint die Stadtbaurätin aber hier genau das Gegenteil: all diese Fragen sollen nicht endlich beantwortet werden, nein, sie sollen übersprungen werden! Wichtige Fragen, die Anwohnerinnen und Anwohner seit vier Jahren immer wieder gestellt haben – sei es im Bezirksausschuss oder in der Bürgerversammlung 2022 – bleiben unbeantwortet. Erst soll man dem Bauvorhaben zustimmen und den Bebauungsplan endgültig ändern. Das alles im Namen eines klimaneutralen Münchens, so steht es ernsthaft im an den Stadtrat gerichteten Beschlussentwurf. Danach soll dann angeblich geschaut werden, was denn überhaupt möglich ist. Wer soll das denn noch als seriöses Verfahren wirklich ernst nehmen? Das dient nur den Kosteneinsparungen des Investors und sonst niemandem!
Kein soziales Projekt, sondern ein als Prestigeobjekt verklärter Investorentraum
Der BA18 erkennt mittlerweile klar an, dass es beim „Candidtor“ nicht um soziale Verbesserungen für das Viertel geht. Es geht darum, eine Maximierung der Mieteinnahmen zu erreichen und die aufgenommenen Schulden verzinst zurückzuzahlen. Der Investor versteckt seinen ökonomischen Willen hinter dem Vorsatz, ein “Wahrzeichen” für Giesing bauen zu wollen – und mit diesem Label die Sondergenehmigung für eine größere Höhe zu erzwingen.
Die vom Investor versprochenen „Zugaben“ – sei es Schafe auf dem Dach oder soziale Einrichtungen – könnten längst umgesetzt werden, ohne ein riesiges Bauvolumen durchzusetzen. Sie sind nichts weiter als ein Feigenblatt.
Als nächster Schritt werden die Frage des BA mitsamt seiner Ablehnung an den Stadtrat mit in die Diskussion gereicht. Es war die Arbeit des Viertels, dass es bis hierhin kam. Als Viertel müssen wir also weitermachen, denn nur durch unseren Druck ist es überhaupt dazu gekommen, dass der Bezirksausschuss sich getraut hat, das Bauvorhaben bisher abzulehnen.
Daher unsere Aufforderung an alle Giesinger und Giesingerinnen, euch direkt an das Planungsreferat zu wenden: direktorium@muenchen.de buero.ob@muenchen.de buero.bm2@muenchen.de buero.bm3@muenchen.de