Entwurf für eine alternative Planung des südlichen Candidplatzes – Vom Viertel, fürs Viertel!
In ganz München wird der Platz zum Wohnen rar, der Platz zum Leben jedoch noch rarer. In Untergiesing wohnen Stand jetzt über 54.000 Menschen Statistische Daten München Stand 31.12.2024; mit dem Isar Living und dem teilweise bereits bewohnten Hans-Mielich-Karee kommen laufend neue Anwohner:innen hinzu. Ein Neubauprojekt folgt dem anderen, dazwischen eine Lücke für den nächsten Supermarkt und eine Tiefgarage. Ist das das Viertel, das gemeinhin als familienfreundlich und bodenständig gefeiert wird? Projekte wie der Grünspitz in Obergiesing zeigen ganz klar, wie hoch der Bedarf ist für barrierefreie Aufenthaltsräume ohne Konsumzwang in dicht befahrenen und – bewohnten Vierteln.
Der auf den ersten Blick unattraktive südliche Candid-„Platz“ ist größtenteils versiegelt, unbeschattet; eine große Asphaltfläche mit wenigen Bäumen – und dennoch wird er viel genutzt. Denn schaut man genau hin, versteht man wieso: die Schönstraße entlang findet sich vom Tierpark bis zum Candidplatz kein öffentlicher Raum zum Sitzen, Verweilen oder Spielen. Und so ist der Platz trotz all seiner Defizite Spielplatz, Versammlungsort der 60-Fans und Ort zum Verweilen für die Nachbarschaft.
Umso ernüchternder und von befremdlicher Realitätsferne gezeichnet muten die aktuellen Pläne der Stadt an, den südlichen Candidplatz zu bebauen. Die Versuche der Investoren Ehret & Klein, ihr Gebäude entgegen des aktuellen Bebauungsplanes an Volumen zu verdreifachen, wurden von uns Anwohner:innen bisher erfolgreich bekämpft. Nun soll das Projekt doch noch durch die Hintertür beschlossen werden. Der Trick: das Gebiet der Investoren soll nun mit dem südlichen Candidplatz “zusammen gedacht” werden. Warum auch der neue Werbeversuch, das Projekt durch mehr Wohnraum durchzusetzen, eine Farce ist, erläuterten wir schon.
Die städtischen Vorschläge haben als Konsequenz eine weitere Verdichtung und Kommerzialisierung des Viertels zur Folge. Daher haben wir uns in der Nachbarschaft zusammengetan und damit begonnen, einen Gegenentwurf zu erstellen. Unser Entwurf will frei von kommerziellen Interessen bleiben. Die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen, die hier leben, sind Ausgangspunkt und das Ziel der Gestaltung.
Weiterentwicklung statt Neubau:
Die bestehenden Pfade von Mensch und Tier haben wir als Basis genutzt: Wer genau hinschaut, erkennt, wie sich Wege und Bewegungen auf dem Platz über die Jahre sowieso schon „intelligent“ gebildet haben. Diese gewachsenen Strukturen wollen wir nicht übergehen, sondern in die Planung integrieren.
Am Ende könnten wir vier Bereiche am Platz herausarbeiten:
1. Stadtraum: Barrierefreie Verweilflächen – Räume, die für alle zugänglich sind, egal ob jung oder alt, ob mobil oder mit Einschränkungen.
Der Platz wird jetzt schon von diversen Gruppen genutzt – von den 60ern, die ihre Fantreffs hier abhalten, zu Jugendgruppen, die Geburtstage feiern und Nachbarinnen und Nachbarn, die abends am Holzhäuschen sitzen. Dennoch schaffen es viele Menschen nicht hierher, da relevante sanitäre Anlagen fehlen, Sitzgelegenheiten, die Schutz bieten vor Witterung. Auch fehlt abends eine gute Beleuchtung, die den Platz auch für viele Menschen sicherer machen würde. Ein Trinkwasserbrunnen könnte Radfahrer, spielende Kinder und Durchreisende versorgen. Der Stadtraum kann den bisherigen Raum zum Rest des Viertels hin erschließen und gleichzeitig Möglichkeiten für Versammlungen und Veranstaltungen schaffen.
2. Stärkung der Biodiversität – ein Refugium für Tiere und Pflanzen mitten im dicht bebauten Viertel.
Der Platz soll nicht nur Menschen zugutekommen, sondern auch Natur- und Klimafunktionen erfüllen. Mehr Bäume, Schattenplätze und grüne Zonen können ihn zu einem lebendigen Ökosystem machen, das sich mit den Jahreszeiten wandelt und so eine natürliche Abwechslung ins Viertel bringt. Mitten auf dem Platz befindet sich zudem auch ein Privatgrundstück das Bäume beherbergt. Diesen Platz könnte man mit noch mehr Bepflanzung drum herum noch ausweiten. Gleichzeitig kann auf diese Art und Weise ein Übergangsraum gestaltet werden, der Stadt- und Spaßraum verbindet und abschirmt.
3. Institutioneller/Sozialer Raum – Bedarfsgruppen unterstützen und Infrastruktur für’s Viertel aufbauen
Die bisher bestehende Infrastruktur “Kindergarten” kann in seiner derzeitigen Form erhalten werden, um weiterer Versiegelung zuvorzukommen. Ein Ausbau der vorhandenen Baukörper ermöglicht den Nachbar:innen die Nutzung für die eigene Versorgung: öffentlich zugängliche Sanitär- und Versorgungsanalgen wie eine öffentliche Küche, Räumlichkeiten etc. Auch eine Bespielung der gleichen Räumlichkeiten zu unterschiedlichen Tageszeiten durch unterschiedliche Nutzergruppen ließe sich hier andenken.
4. Spaßraum – ein geschützter Freiraum, in dem Kinder, Jugendliche und Erwachsene sich bewegen, spielen und Spaß haben können, ohne auf den letzten Quadratmeter ausweichen zu müssen. Der Platz wird jetzt schon für unterschiedliche Sportarten genutzt wie Basketball, Fußball oder auch zum Skaten. Diese Bereiche könnten besser ausgebaut und ausgestattet werden.
Ein Ort zum Leben – und zum Aufatmen – Der neu gedachte Candidplatz wäre damit ein Platz, an dem die Menschen aus Untergiesing leben, atmen und Inspiration finden können. Ein Gegenpol zur Hektik des Straßenverkehrs, die den Platz heute dominiert. Der entscheidende Unterschied zwischen den bisherigen städtischen Planungen und unserem Vorschlag ist die Haltung: Während es der Stadt offensichtlich darum geht, größtmöglichen Wohnungsbau mit einem dünnen sozialen Anstrich zu verwirklichen, wollen wir eine Planung, die frei von kommerziellen Interessen ist. Unser Fokus liegt auf den Bedürfnissen der Menschen, die hier wohnen – und auf der Überzeugung, dass öffentlicher Raum im Viertel nicht verkauft, sondern gemeinsam gestaltet werden sollte.
Und jetzt seid ihr dran: Was denkt ihr von einem Candidplatz für alle? Wie würdet ihr euch wünschen, dass dieser Platz genutzt wird? Schreibt uns, diskutiert mit uns unten in den Kommentaren oder auf den nächsten Treffen.
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