Stimme aus dem Viertel: Beschleunigt an uns vorbei

Ich wohne seit vielen Jahren in Giesing und der Candidplatz ist für mich ein fester Bestandteil des Alltags. Ob beim Einkaufen, als Treffpunkt mit Freund*innen von Sechzig auf dem Weg ins Grünwalder Stadion oder beim Gang ins Ärztehaus – dieser Platz ist mehr als nur ein Verkehrsknoten. Er ist ein Ort, an dem sich unser Leben im Viertel verdichtet.

Dass dort etwas geschehen soll, ist längst bekannt, und viele von uns haben die Entwürfe und Debatten verfolgt. Und jetzt kommt zum Candidtor das sogenannte „beschleunigte Verfahren“ ins Spiel – ein Verfahren, das in meinen Augen an den Menschen im Viertel vorbeigeht. Was bedeutet „beschleunigt“ in diesem Zusammenhang? Es bedeutet weniger Raum für Bürgerbeteiligung. Es bedeutet, dass Prüfungen zu Umwelt, Verkehr und Lärmbelastung reduziert werden. Es bedeutet, dass wesentliche Fragen zur sozialen Infrastruktur – also auch zur Zukunft des Ärztehauses und der dort ansässigen Kassenärztinnen – im Zweifel nicht gründlich geklärt werden, bevor die Bagger anrücken. 

Für uns Anwohnerinnen heißt das konkret: Wir erfahren vieles erst, wenn es schon entschieden ist.

Dabei liegen die offenen Fragen auf der Hand. Das Ärztehaus ist bis heute eine wichtige Säule der medizinischen Grundversorgung in Giesing. Hier finden wir Hausärzte und Fachärzte, die uns mit Kassenleistungen betreuen. Gerade für ältere Menschen oder chronisch Erkrankte ist die Nähe dieser Praxen unverzichtbar. Wenn das Gebäude aber in den Neubau integriert oder durch höhere Mieten faktisch für Kassenärzte unerschwinglich wird, verlieren wir diese Versorgung. 

Gleichzeitig sprechen offizielle Stellen immer wieder davon, dass man „die Nachbarschaft einbinden“ wolle. In der Praxis bedeutet das bisher: Informationsveranstaltungen mit vorbereiteten Präsentationen, offene Fragen ohne konkrete Antworten und Verzögerungen bei den entscheidenden Punkten. Wenn nun zusätzlich ein beschleunigtes Verfahren gewählt wird, schrumpfen die ohnehin geringen Möglichkeiten zur Mitbestimmung weiter.

Für mich ist das ein Widerspruch, den man nicht einfach hinnehmen sollte. Wenn die Stadt wirklich Wert auf Bürgerbeteiligung legt, dann muss sie Zeit und Raum dafür schaffen. Stattdessen erleben wir, dass Geschwindigkeit vor Transparenz gesetzt wird. Und wer Geschwindigkeit betont, will meist ein Projekt möglichst ungestört durchziehen.

Ich sage nicht, dass Veränderung am Candidplatz unmöglich oder unbedingt schlecht ist. Aber Veränderung muss so gestaltet werden, dass die Nachbarschaft davon profitiert – nicht nur ein Investor, der seinen Umsatz im Blick hat. Gerade weil der Investor bekannt dafür ist, Ärztehäuser in Fonds einzubringen und auf diese Weise den Druck auf Kassenärzte zu erhöhen, braucht es eine besonders gründliche Prüfung. Alles andere wäre fahrlässig.

Für mich im Viertel geht es nicht um Detailfragen, sondern um Grundsätzliches: Wollen wir eine Stadtentwicklung, die offen diskutiert wird, oder eine, die im Eilverfahren durchgesetzt wird? Wollen wir, dass unsere Gesundheitsversorgung in Giesing gesichert ist, oder nehmen wir in Kauf, dass sie nach und nach privatisiert und verdrängt wird?

Ich bin überzeugt: Wir Nachbar*innen müssen bei diesen Fragen einbezogen werden. Denn wir sind es, die die Folgen spüren – im Wartezimmer, im Verkehrsstau, in der Luft, die wir einatmen. Beschleunigte Verfahren mögen für Investoren attraktiv sein. Für uns bedeuten sie weniger Mitbestimmung, weniger Transparenz und am Ende weniger Versorgung. Wenn es um unser Viertel geht, darf nicht beschleunigt an uns vorbei entschieden werden.