Antworten zum Kommentar des Textes: Freiflächen Erhalten – Analyse der “Sozialwohnungen”
Zu dem Text Freiflächen Erhalten – Analyse der “Sozialwohnungen” gab es von einem Leser einen Kommentar, den wir im Folgenden mit diesem Beitrag beantworten möchten. Die Anfragen im Kommentar sind hier gespiegelt und kursiv geschrieben. Die Antworten sind in schwarz ausgeführt. Die Antworten stammen vom Autor des Textes.
Hier der Kommentar mit Antworten:
Erstens: Die 22.000 Wohnungen, die kommunalisiert werden können, gibt es gar nicht.77 Prozent dieser Wohnungen stehen leer, weil es gerade einen Mieter*innen-Wechsel oder einen Umbau gibt. Bleiben nur noch rund 5.000 Wohnungen, bei denen es andere Gründe für den Leerstand gibt. Die Stadt geht dem nach und hat im letzten Jahr 448 Wohnungen vor illegaler Zweckentfremdung gerettet (Wohnungsmarktdaten 2024, Link im Artikel).
Im Text wird sich ausdrücklich auf die Zensus-Daten bezogen, nach denen in München rund 22.000 Wohnungen leer stehen. Diese Zahl ist korrekt und wird u. a. vom Sozialreferat der Stadt München bestätigt.
Der Kommentar behauptet nun, 77 % dieser Wohnungen seien bloß wegen Mieterwechsel oder Umbau vorübergehend leer. Doch selbst das Sozialreferat stellt klar, dass über 11.800 Wohnungen als „marktaktiver Leerstand“ gelten – also innerhalb von drei Monaten verfügbar wären. Das ist alles andere als ein irrelevanter Rest.
Auch die Einschätzung, dass „nur 5.000 Wohnungen“ übrig blieben, verkennt das strukturelle Problem: Die offizielle Auswertung zeigt ein Drittel länger andauernden Leerstand – und damit ein massives politisches Steuerungsdefizit.
Der Punkt war nie, dass alle 22.000 Wohnungen sofort in kommunales Eigentum übergehen könnten. Der Punkt war:
Es ist politisch falsch, Freiflächen zuzubauen, während gleichzeitig tausende Wohnungen ungenutzt sind oder spekulativ gehalten werden.
Zweitens: „Soziale Wohnungen“ können gerade auf städtischem Grund von der städtischen Münchner Wohnen GmbH dauerhaft verwirklicht werden.
Bei den geförderten Wohnungen macht die Stadt München Vorgaben zur Belegung und zur Miethöhe. Im Unterschied zu privaten Bauträgern, bei denen die Bindungen nach einer bestimmten Frist ablaufen (je nach Vertrag z.B. 25 Jahre oder 40 Jahre), nimmt die Stadt München auf die Wohnungen der Münchner Wohnen dauerhaft Einfluss und begrenzt dadurch auch die Mieten dauerhaft.
Es wird nicht widersprochen, dass die städtische Münchner Wohnen grundsätzlich andere Möglichkeiten als private Investoren hat. Aber hier wird ausgeblendet, worauf in dem Text ausdrücklich hingewiesen wird.
Die Münchner Wohnen verfehlte ihre eigenen Ziele deutlich. Laut öffentlich zugänglicher Daten wurden statt 4 % Sanierungsquote nur 0,7 % erreicht.
Neubauziele wurden ebenfalls deutlich verfehlt, während gleichzeitig Freiflächen als „alternativlos“ für Neubau dargestellt werden. Beim jüngsten Projekt „Wohnen am Candidplatz“ war der Anteil tatsächlich geförderter Wohnungen gering; ein Großteil ging an einen institutionellen Anleger — also gerade nicht dauerhaft in kommunale Hand.
Der Hinweis auf „dauerhafte Bindungen“ stimmt nur in der Theorie.
In der Praxis entstehen in München die meisten geförderten Wohnungen mit auslaufenden Bindungen. Wenn die SoBon weiter ausgehöhlt wird, werden diese Bindungen künftig sogar noch seltener.
Und auch eine städtische GmbH arbeitet nach privatrechtlichen Strukturen, investiert in Management und Verwaltung, während gleichzeitig Sanierungen hinterherhinken. Genau dieses Missverhältnis wurde kritisiert und wird im Kommentar einfach übergangen.
Drittens: Die Münchner Wohnen GmbH ist die richtige Akteurin am Candidplatz.
Über die Strategie und Ziele der Münchner Wohnen beschließt der Stadtrat und der Aufsichtsrat, der wiederum vom Stadtrat und der Belegschaft bestimmt wird. Gewinne werden nicht von Aktionären kassiert, sondern bleiben im Unternehmen und werden wieder investiert. Es geht deshalb nicht um Spekulation, sondern um Wohnraum für Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Diese Wohnungen sichern bezahlbare Mieten in unserem Viertel.
In München suchten Ende 2024 22.949 Haushalte eine Sozialwohnung (Quelle: https://risi.muenchen.de/risi/dokument/v/9092641, Seite 5), davon einige hundert nur aus Untergiesing. „Candidplatz für alle“ heißt für mich, dass wohnungssuchende Menschen auch zu den „allen“ gehören und ihre oft sehr schwierige Situation von uns, die gerade eine Wohnung haben, berücksichtigt wird. Es braucht eine Lösung, die einen Teil der bestehenden Fläche als Spielfläche lässt, Wohnungsbau ermöglicht und für die Kindertagesstätte einen Festbau bietet. Diese Lösung ist nicht einfach, aber wir sollten es uns auch nicht zu einfach machen.
Hier wird die Münchner Wohnen als perfekte Lösung idealisiert. Die Realität ist jedoch differenzierter:
2023 wurde in München so wenig neu gebaut wie seit vielen Jahren nicht – nur rund 6.500 Wohnungen stadtweit. Das zeigt, wie begrenzt die Wirkungskraft aller Akteure ist, einschließlich Münchner Wohnen.
Münchner Wohnen selbst verweist regelmäßig darauf, dass Anschlussvermietungen, Sanierungen und Modernisierungen oft nicht zeitnah möglich sind. Die bürokratischen und finanziellen Hürden bleiben groß.
Hier wird argumentiert, am Candidplatz müsse man bauen, weil 22.949 Haushalte eine Sozialwohnung suchen. Insgesamt sollen knapp 200 Wohneinheiten gebaut werden. Davon wären nach alter SoBon vielleicht 40 bis 50 Wohneinheiten dem sozialen Wohnungsbau zugeführt worden. Hier zu argumentieren, man würde damit eine Lösung anbieten, ist pure Augenwischerei, das ist kein Argument für die Bebauung der letzten Freifläche im Viertel — es ist ein Argument dafür, dass das gesamte System Wohnraumpolitik versagt hat.
Giesing ist eines der am stärksten nachverdichteten Viertel der Stadt. Die Bebauung der letzten unbebauten Fläche bedeutet: Verlust eines der wenigen konsumfreien öffentlichen Räume, weitere Versiegelung, weitere Aufwertung und damit steigenden Mietdruck
Hier wird ebenfalls ausgeblendet, dass die Machbarkeitsstudien keine Option ohne Bebauung geprüft haben. Genau das kritisiert Text: Der demokratische Diskurs wurde verkürzt, die Bebauung als alternativlos dargestellt.
Schlusssatz:
Der Kommentar folgt der Logik des BA und den dahinter stehenden Investoren. Er argumentiert idealistisch und mit Teilwahrheiten, um Argumentativ in der Linie zu bleiben.
Quellenliste:
Stadt München – Sozialreferat zum Zensus-Leerstand:
https://ru.muenchen.de/2025/202/Wohnungsleerstand-in-Muenchen-120897
Bayerische Staatszeitung – Analyse des Leerstands in München:
tz München – Bericht zu Leerstand und politischer Kritik:
Münchner Wohnen – Sanierungsquote:
https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCnchner_Wohnen
Münchner Wohnen – Leerstands- und Sanierungsbericht:
https://berichte.muenchner-wohnen.de/2024/finanzbericht/leerstandsberich
Süddeutsche Zeitung – Tiefstand Neubau 2023:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-wohnen-wohnungsbau-neubau-tiefstand-zahlen-li.3205400
Süddeutsche Zeitung – SoBon Wohnungen:
