Was verstehen wir unter Gentrifizierung?

Der Begriff der Gentrifizierung rückt in den letzten Jahrzehnten immer mehr in den Mittelpunkt der Politik und wird demnach auch in davon betroffenen Stadtvierteln häufiger diskutiert. 

Aber wie lässt sich der Begriff der Gentrifizierung eigentlich erklären?

Hannah Beitzer definiert den Begriff in Ihrem Artikel Was Gentrifizierung wirklich ist in der Süddeutschen Zeitung im Jahr 2015 wie folgt:

Gentrifizierung oder Gentrifikation beschreibt eine bestimmte Form der Veränderung in Stadtteilen: den Wechsel von einer Bewohnerschaft mit niedrigem Einkommen und Status zu einer statushöheren Bewohnerschaft mit mehr Einkommen.

Den Begriff der Gentrifizierung prägte die britische Soziologin Ruth Glass in den 1960er Jahren. Die Problematik der Verdrängung von Menschen aus schlecht situierten Gesellschaftsschichten hat zwar erst seit den 60er Jahren einen Namen jedoch gab es sie bereits vor 150 Jahren.

Friedrich Engels schrieb in seinem Werk Zur Wohnungsfrage aus dem Jahre 1872 folgendes zur damaligen Wohnungssituation:

Die Ausdehnung der modernen großen Städte gibt in gewissen, besonders in den zentral gelegenen Strichen dem Grund und Boden einen künstlichen, oft kolossal steigenden Wert; die darauf errichteten Gebäude, statt diesen Wert zu erhöhn, drücken ihn vielmehr hinab, weil sie den veränderten Verhältnissen nicht mehr entsprechen; man reißt sie nieder und ersetzt sie durch andere. Dies geschieht vor allem mit zentral gelegenen Arbeiterwohnungen, deren Miete, selbst bei der größten Überfüllung, nie oder doch nur äußerts langsam über ein gewisses Maximum hinausgehen kann. Man reißt sie nieder und baut Läden Warenlager, öffentliche Gebäude an ihrer Stelle.

Heutzutage sind hochspekulative Projekte von riesigen, monopolistischen Immobilienfirmen und Immobilienfonds hinzugekommen, die den gesamten Markt in Bewegung bringen. ‚Betongold‘, das als Sicherheit für Kredite in einem sehr flüchtigen Banken- und Finanzsektor dient. Ganze Kleinstädte voll arbeitender Menschen können so in Geiselhaft genommen werden.

Wie läuft die Gentrifizierung heutzutage ab?

In den betroffenen Stadtteilen, in denen sich Menschen mit niedrigen Einkommen niedergelassen haben, gibt es meist einen hohen Leerstand an Gewerbeflächen, Wohnungen und dürftig restaurierte Gebäude. Aufgrund der günstigen Mieten und einem großen Spielraum für Kreativität und subkulturellen Dasein lassen sich in diesen Gebieten Studenten, Künstler und Menschen mit einem alternativen Lebensstil nieder. Es entstehen Start-ups, Cafés, kleine Läden und Bars. Diese machen das Viertel für Leute mit höherem Einkommen attraktiver. Durch die Bereitschaft, höhere Mieten zu zahlen, wächst auch der Markt für die Investoren. Diese sanieren bestehende Gebäude, bauen neu und kaufen Grundstücke, die oftmals in öffentlicher Hand lagen, auf. Die Möglichkeit, Eigentum zu erwerben, meist auch öffentliches auf einem Markt, in dem es immer schwieriger wird selbiges zu tun, erhöht automatisch den Wert des Bodens. Dies hat steigende Mieten, eine Veränderung des Viertels und die damit einhergehende Verdrängung der ärmeren Gesellschaftsschichten zur Folge. Dies ist ein Schema, die Gentrifizierung läuft nicht in jedem Viertel gleich ab und kann verschiedene Formen annehmen. Und, sie ist ein weltweites Phänomen.