Investorentraum Candidturm – Ein Eigentor fürs Viertel?
Zum ersten Mal seit den Corona-Lockdowns fand im Juni das Sommerfest der Bezirksausschüsse Unter- und Obergiesings (BA17 und BA18) statt. Auch Aktive aus Giesing waren in die VIP-Lounge des Grünwalder Stadions eingeladen, wo der TSV 1860 als Gastgeber mit Stadionführung und Elfmeterschießen versuchte, die politische Vertretung beider Viertel vom Stadionausbau zu überzeugen. Parallel dazu bleiben kritische Anfragen der Anwohner*innen Giesings zum umstrittenen Investorenprojekt am Candidplatz seit über einem Jahr unbeantwortet. Die Gelegenheit, Stadträte, Mitglieder des Landtages und BA-Mitglieder ganz sportlich zum Candidtor zu befragen, ließen wir uns da natürlich nicht entgehen!
Wie viele Nachbarinnen und Nachbarn wissen, hält sich der Stadtrat zum Bauprojekt sehr bedeckt: fast ein Jahr ist es nun her, dass Anwohner*innen Anfragen und Anträge auf Bürger- und Einwohnerversammlungen gestellt haben. Bisher sind alle unbeantwortet geblieben. Die Bürger*innen stellten unter anderem Fragen zum Zustand der Ökologie und des Nahverkehrs in ihrem Viertel. Doch selbst einfachste Anfragen zur Luftverschmutzung oder dem Lärmpegel am Candidplatz hat der Stadtrat bis jetzt nicht bearbeitet. wie auch die Fragen nach einer Hochrechnung, um wieviel sich die soziale Belastung durch solch ein Projekt erhöhen würde.
Heike Krämer stellvertretende BA-18 (Untergiesing-Harlaching) Vorsitzende der SPD gab sich ratlos: “Wissen wir auch nicht wann die Anfragen beantwortet werden – und wir haben auch keine Informationen, dass sich da etwas getan hätte.”
Wieso es bisher keine Antworten gibt? Frau Krämer antwortete: “Es gibt ja noch nicht einmal den entsprechenden Bebauungsplan dafür. Solange dieses Verfahren noch gar nicht angelaufen ist, sieht man noch keine Dringlichkeit, aber wir warten auch auf die Antworten! Wir haben den Eindruck: da passiert noch nix.”
Dass gar nichts passiert, ist eigentlich kaum vorstellbar – zumindest nicht auf Investorenseite. Ehret+Klein lobbyieren weiterhin, halten Vorträge zu dem Bauprojekt, wie zuletzt am Giesinger Bahnhof. Nicht umsonst haben sie ein eigenes Planungsbüro in Grünwald gegründet. Es passiert also recht viel – im Interesse der Investoren.
Die stellvertretende BA-18 Vorsitzende Heike Krämer weiter dazu: “Die Antworten auf die Fragen zu Ökologie, Mietpreise und Verkehr, die die Einwohner bei der Einwohner- und Bürgerversammlung gestellt haben, sollten auf jeden Fall vor einer Debatte um die Erneuerung der Baugenehmigung beantwortet werden.“
“Die Antworten auf die Fragen zu Ökologie, Mietpreise und Verkehr, die die Einwohner bei der Einwohner- und Bürgerversammlung gestellt haben, sollten auf jeden Fall vor einer Debatte um die Erneuerung der Baugenehmigung beantwortet werden.“ (Heike Krämer, SPD)
Auch Frau Gülseren Demirel, Landtagsabgeordnete der Grünen, schätzte das Mega-Investorenprojekt im Viertel kritisch ein: “Es ist nicht mehr wie in den 90er Jahren. Wir haben im Moment eher einen Gewerbebauüberschuss in München. Viele Firmen reduzieren Büroräume eher.”
“Es ist nicht mehr wie in den 90er Jahren. Wir haben im Moment eher einen Gewerbebauüberschuss in München. Viele Firmen reduzieren Büroräume eher.” (Gülserem Demirel, B90/Grüne)
Carmen Muck, Bezirksausschussvorsitzende der SPD in Obergiesing, positionierte sich noch klarer: “Ich bin ganz klar gegen dieses Projekt weil es für mich einfach eine Luxusimmobilie werden wird, die an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei geht. Deren Firma sitzt außerhalb von München, sie zahlen nicht einmal Gewerbesteuer an die Stadt!”
Es ist keine Seltenheit, dass Firmen wie ehret+klein ihre Büros in der Steueroase Grünwald errichten, während sie gemeinsam mit ihren Investoren in München bauen und Profit erwirtschaften. So umgehen sie das Hindernis, deutlich höhere Steuern in München zahlen zu müssen! Die Investoren zahlen so ihr Gebäude – und den Rest, den sie zum Erhalt und Nutzen ihres Gebäudes brauchen – das zahlen wir! Kosten die anfallen, um zum Beispiel den Nahverkehr für das Projekt zu erweitern, was zwingend notwendig sein wird, sowieso ein eventueller Ausbau der Straßen, zahlen wir für die Investoren und Aktionäre – die Anwohner*innen von Giesing, mit unseren Steuern. Für Normalbürger gänzlich unverständlich – ein Millionen-profit-Projekt für Investoren, für das die Stadt und damit wir draufzahlen.
“Ich bin ganz klar gegen dieses Projekt weil es für mich einfach eine Luxusimmobilie werden wird, die an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei geht.“ (Carmen Muck, SPD)
Frau Muck fand zum Schluss des Abends klare Worte: “Ich bin ja Ur-Münchnerin, Ur-Giesingerin, ich hab den Wandel im Viertel am eigenen Leib miterlebt. Man muss ein Stück weit toleranter werden, aber zu manchen Sachen muss man auch einfach nein sagen. Wo es um Menschen geht, muss man die Augen offen halten. Ich erlaube es mir auch mal, auch wenn die Fraktion nicht dagegen sein sollte, dagegen zu sein.”
Einige andere Parteien und BA-Mitglieder stehen dem Projekt positiv gegenüber. Es wird Reichtum und Prestige fürs Viertel versprochen. Gleichzeitig werden die von den Bürger*innen geforderten Studien und Nachforschungen, diese Versprechen zu belegen, auf Eis gelegt. Es bleibt zu hoffen, dass die kritischen BA-Mitglieder unsere demokratischen Rechte über das Sommerfest hinaus für uns verteidigen werden. Und, dass sie um die Beantwortung der Anträge kämpfen werden – vor dem Beschluss zum Bau des Candidtors!
Das Sommerfest zeigte – zumindest den Worten nach – dass es auch in den gewählten Gremien und innerhalb der Parteien Dissens über das Bauprojekt gibt. Das abschließende Elfmeterschießen zwischen den BA-Mitgliedern Ober- und Untergiesings auf dem Rasen des Grünwalder Stadions ging noch bis spät in den Abend. Der Gewinner wurde nicht veröffentlicht. Eins dürfte aber klar sein: ein Eigentor wie der Turm am Candidplatz blieb ihnen zumindest an diesem Abend erspart.