Nachbericht und Kommentar zur Bürgerversammlung am 6. Juli: Der Zirkus Demokratie und seine Nutznießer

Am 6. Juli war es wieder so weit in Giesing. Der Bezirksausschuss 18 hielt die jährliche Bürgerversammlung ab. Vor Beginn der Veranstaltung kamen wir mit vielen Nachbarinnen und Nachbarn ins Gespräch. Dabei wurde deutlich, dass das geplante “Candidtor” immer noch ein großes Thema im Viertel ist und an Aktualität nicht verloren hat. So stand neben Themen wie dem ÖPNV-Angebot im Viertel oder auch der zunehmenden Lärmbelastung an der Isar auch das “Candidtor” auf der Tagesordnung.

Einer unserer Anträge sorgte hierbei für besondere Aufmerksamkeit. Wir forderten die Offenlegung der Beziehungen zwischen dem Stadtrat und dem Investor ehret&klein. Genauer gesagt, ob vor den bisherigen Veranstaltungen des Bezirksausschusses private Treffen oder Absprachen zwischen beiden Seiten stattgefunden haben. Auch diesen Antrag
gaben die Nachbarinnen und Nachbarn mit großer Mehrheit an den Stadtrat weiter.

 

Erläuterung: Seit über einem Jahr werden die Anfragen und Anträge der Bürgerinnen und Bürger Untergiesings zum Thema Candidtor nicht beantwortet. Während Soforthilfen für Profite von Konzernen und zur Rettung der Banken innerhalb von Minuten entschieden werden, werden die Interessen der arbeitenden Bevölkerung Münchens von den von ihnen gewählten Parlamenten mit Nichtachtung gestraft. Die Anträge fordern dabei so simple Aufgaben wie die Messung von Luft- und Lärmverschmutzung am Candidplatz – viele gemeinnützige Vereine schaffen solche Messungen in kürzester Zeit.

Immer wieder wird gesagt: es sei noch nichts entschieden, es gäbe noch gar kein Baurecht usw. usf. Allein: jeder denkende Mensch weiß, dass sich nicht Nichts tut. Im Gegenteil. Die Investoren und ihre Projektmanager sitzen nicht einfach rum und warten auf bessere Zeiten. Das sollte allein schon die Gründung des Projektbüros von Ehret+Klein in Grünwald aufzeigen. Die derzeit schon stattfindende Umstrukturierung der Mietverträge im Ärztehaus am Candidplatz lässt darauf deuten, dass die Projektentwickler fest mit einer Zustimmung zu ihrem Bauvorhaben rechnen.

Im letzten Jahr wurde von Münchner Unternehmer*innen, Konzernen und Investor*innen zudem die sogenannte “Allianz für München” ins Leben gerufen. Wer dazu Genaueres erfahren möchte, kann gern den betreffenden Artikel dazu auf der Webseite www.candidplatz-fuer-alle.de nachlesen. Diese unheilige Allianz tourt durch die Münchner Bezirksauschüsse und lobbyiert seit Monaten intensiv unter anderem für den Bau von Hochhäusern. Teil dieses politischen Bündnisses ist beispielsweise Daniel Schreyer, Geschäftsführer von Hendricks & Schwartz, einer Lobby-Firma für die Immobilienbranche, deren Geschäft Baurechtschaffung, Genehmigungsmanagement und Akzeptanzkommunikation ist.

Antrag: Die Bürger*innenversammlung des Bezirksauschusses 18 (Untergiesing-Harlaching) stellt den Antrag, dass der Stadtrat und seine Fraktionen folgenden Sachverhalt aufkläre:

  1. Welche Stadtratsfraktion hatte seit der Einwohnerversammlung am 13.07.2022 im Bezirksausschuss 18 Kontakt zu Gesellschafter*innen und Angestellten von Ehret+Klein sowie deren Projektbüro? Was waren die konkreten Inhalte dieser Gespräche?
  2. Welche Stadtratsfraktion hatte seit der Einwohnerversammlung am 13.07.2022 im Bezirksausschuss 18 Kontakt zu Vertreter*innen der “Allianz für München”? Was waren die konkreten Inhalte dieser Gespräche?

 

Doch warum fordern wir überhaupt Transparenz? Kurz zusammengefasst sehen wir Transparenz als eine entscheidende Voraussetzung für uns Nachbarinnen und Nachbarn, um uns zum Projekt “Candidtor” positionieren zu können. So bringt Transparenz alleine zwar keine Entscheidungsmacht mit sich, sie zeigt uns aber, welche Interessen und Zwecke mit dem Bau dieses Gebäudes verfolgt werden. Da die Umsetzung dieses Projekts unser Leben und direktes Umfeld maßgeblich verändern würde, ist die Forderung nach Transparenz unumgänglich.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen/Rosa Liste Dominik Krause zeigte beim besagten Antrag allerdings wenig Verständnis für diese Forderung. Entgegen des üblichen Ablaufs
reagierte er direkt auf unseren Antrag und erklärte den Nachbarinnen und Nachbarn in lehrerhafter Manier,dass dieser Antrag überflüssig sei und dass es keinen Sinn mache sich
mit einem solchen Anliegen an den Stadtrat zu wenden.Man könnte tatsächlich auch die Frage stellen: Warum reagierte der Fraktionsvorsitzende auf solch emotionale Weise auf
den gestellten Antrag? Zumal diese Reaktion für einen Politiker, der auf seiner Website Bürger*Innenrechte und Stärkung der Demokratie als seine Ziele postuliert, ein recht hartes
Einschreiten sein mag.

Unabhängig von dem Hintergrund des Eingreifens von Dominik Krause, zeigt dieses Beispiel eine generelle Systematik, die die Damen und Herren im Bezirksausschuss unabhängig von ihrer Partei mehr eint, als sie zu ahnen scheinen. Die von der Politik so hoch gelobte Bürgerbeteiligung ist nur gern gesehen, solange sie mit den Interessen und den Zwecken
der Nutznießer dieser Gesellschaft, also Politik und Wirtschaft, einhergeht. Wenn man aber, wie in unserem Fall, Transparenz und Offenlegung einfordert, ist es selbst für den
bürgerfreundlichen Politiker Dominik Krause mal wieder an der Zeit zu zeigen, wer hier eigentlich die Spielregeln aufstellt.

Allerdings hat diese Reaktion auch eine Vorgeschichte. So wäre es nicht das erste Mal, dass unsere sogenannten Repräsentanten sich von unseren Inhalten und Forderungen auf den
Fuß getreten fühlen. Dies liegt an den unterschiedlichen Interessen, die im Fall “Candidtor” aufeinandertreffen. So trifft das Interesse von einem lebenswerten Leben der Bewohner und Bewohnerinnen auf das Interesse von Profit. Diesen Interessenkonflikt entscheidet in unserer Gesellschaft in letzter Konsequenz die Eigentumsordnung, deren Logik auch der
Stadtrat unterliegt. So kann es sein, dass trotz über einem Jahr andauernden Protest aus der Nachbarschaft an der Umsetzung des Projekts “Candidtor” immer noch festgehalten
wird.

Die Ereignisse der Bürgerversammlung bestätigen ein weiteres Mal den Eindruck, dass Handeln des Bezirksausschuss immer nur im Zuge des Drucks der Nachbarschaft erfolgt ist.
Wir konnten uns kurzfristige Erfolge erkämpfen. Ein Beispiel dafür ist die Einwohnerversammlung im letzten Jahr oder die Ablehnung des bisherigen Bebauungsplanes. Dennoch sind unsere Mitbestimmungsmöglichkeiten begrenzt – wie uns der Fall Dominik Krause wieder einmal zeigt. So bleibt der Zusammenschluss von uns Nachbarinnen und Nachbarn als das einzige Mittel, um langfristig unser Interesse an einem Viertel in unserem Sinne und nicht des Profits durchzusetzen.

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