„Candidtor nix gut – Update zum Bauvorhaben!“ – Da Brunnenmiller vom 30.09.2023

„Candidtor nix gut – Update zum Bauvorhaben!“ aus dem Brunnenmiller vom 30.09.2023, mit freundlicher Unterstützung der aktiven Fanszene des TSV 1860.

In München-Untergiesing gibt es seit einiger Zeit viele Diskussionen und Unsicherheiten über das geplante, aber noch nicht genehmigte Bauprojekt namens Candidtor, das zu einem Wahrzeichen des Viertels werden soll. Die Leute hinter dem Candidtor-Projekt behaupten auf ihrer Website eisern, dass ihre Immobilien allen Freude bereiten soll. So prahlen sie unter anderem mit Begegnungs-/Begrünungsflächen. Geschenkt, dass diese laut der Meinung eines Landwirtschaftsarchitekten dort gar nicht zu realisieren sind. Sie geben vor den Candidplatz zu einem “wichtigen Ort für die Bewohner” machen zu wollen. Wir sind der Meinung, dass der Candidplatz schon wichtig genug ist! Hat er Optimierungspotential? Definitiv! Da aber an Bauvorhaben wie diesem hauptsächlich die Planer und ihre Partner von Ehret+Klein und ausschließlich diese und ein paar neureiche Zugezogene Freude haben, wollen wir das Thema hier nochmals aufgreifen (zuletzt in Ausgabe 57, 58 & 60).

In den letzten Jahren gab es in München, insbesondere in Giesing, viele Veränderungen. Es gab neue Bauprojekte anstelle von alten Wohnungen, Streit um den Denkmalschutz, den Abriss von historischen Gebäuden (Uhrmacherhäusl) und neue Geschäfte, die nicht allen gefallen. Dies hat zu Spannungen und zu einem Gentrifizierungsdruck im Viertel geführt, der zu immer mehr, hauptsächlich negativen, Veränderungen führte, vor wenigen Tagen beispielsweise zur Schließung des Trepperlwirts. Die (Index-)Mieten in Giesing sind jetzt schon unverschämt hoch und viele alteingesessenen Bewohner oder Neuankömmlinge, die dem Geist des Viertels entsprechen würden, können sich keine noch höheren Mieten leisten. Trotzdem haben die Unternehmen Ehret+Klein und Values Real Estate große Pläne für das Candidtor, einen 64 Meter hohen Turm, der, wenn es nach den Investoren geht, anstelle des Ärztezentrums am Candidplatz gebaut werden soll.

Neubauten sind aber doch gut, zumindest potentiell? Sind die Gegner also einfach nur alles Ewiggestrige, die keine Veränderung wollen? Die Initiative „Candidplatz für alle“, deren Anliegen wir unterstützen, sagt, dass es bei dem Bau vor allem um wirtschaftliche Interessen geht. Die Investoren möchten aus dem Grundstück möglichst viel Profit schlagen, macht ja auch Sinn, aus unternehmerischer Sicht, fürs Viertel aber halt nicht. Bereitstellen soll der Turm keinen bezahlbaren Wohnraum, den wir in München alle so dringend benötigen, sondern stattdessen ein „Versorgungszentrum“, das Ärztepraxen und Büros beherbergt – in weitaus größerem Maßstab als bisher.

Sebastian Weisenburger (Grüne), Vorsitzender des Bezirksausschusses Untergiesing, hat zuletzt im Juni betont, dass solche Flächen nicht benötigt werden. Vielmehr fehlts hint‘ und vorn an bezahlbarem Raum für gemeinnützige Einrichtungen aus dem Viertel. Während also eine kleine Tierarztpraxis ein paar Meter nebenan, in der Hans-Mielich-Straße, aufgrund satter Mietkostenerhöhung um 1.000€ schließen muss, wird das Projekt Luxusärztezentrum weiter vorangetrieben. Hinter dem Projekt steht, teils ein internationaler Immobilienfond, der bekannt dafür ist Arztpraxen aufzukaufen und „aufzuwerten“. Leisten kann sich den Spaß dann vermutlich nur noch der Chirurgie, die den Spielerfrauen von der Nebenstraße das Näschen ein bisschen schmaler schnibbelt. Die Hausärztin von nebenan, oder die erwähnte Tierärztin vermutlich eher nicht. Toller Mehrwert für unser Viertel.

Es liegt weiterhin die Befürchtung nahe, dass die Mieten in Giesing durch den Bau des Turms allgemein steigen könnten. Denn wenn die Bodenpreise steigen, kann das zu höheren Mieten für Geschäftsflächen führen, was die Existenz der etablierten Läden etc. gefährdet. Heißt, Hauptsache der Rubel rollt und profitieren tun die, die es sich leisten können. Alle anderen kommen unter die Räder.

Es gibt auch Spekulationen darüber, dass die Candidtor-Planer versuchen, Unterstützung aus unserer Bubble, dem Umfeld des TSV 1860, zu bekommen.

So scheint das Unternehmen Ehret+Klein nach Verbündeten unter den Sponsoren und Partnern rund um den TSV 1860 gesucht zu haben. Dies könnte ein Versuch sein, das Projekt als sozial und nahbar darzustellen indem es halt die richtigen Boten sind, die die Nachricht überbringen. So ein Vorgehen ist innerhalb der ach so selbstlosen Immobilienbranche im deutschen Fußball nicht unüblich und ebenso wie das unsägliche “Sportswashing” bei der WM in Katar entschieden abzulehnen (weitere Beispiele dafür sind u.a.: Viva West/Schalke 04, Aroundtown/Union Berlin, Vonovia/VfL Bochum, CG-Gruppe&/RB Leipzig/KSC, Wohninvest Holding/Werder Bremen und deren
Tochtergesellschaft BrainHouse 247/Hannover 96).

Insgesamt ist es derzeit unsicher, ob der Candidtor-Turm tatsächlich gebaut wird und die Diskussionen darüber dauern an. Sicher ist aber, dass unser Viertel schon genug gentrifiziert ist und wir keinen Scheiß Turm für Nobel-Ärzte brauchen. Von uns aus kann er doppelt so hoch sein, solange halt Wohnungen zu vernünftigen Konditionen drin sind.