Von Green Washing zu Social Washing

Ein Bericht eines Nachbarn zur letzten Sitzung des Bezirksausschusses, in dem ihm der BA das Wort verbieten wollte.

Am 16. Januar 2024 fand die erste Bezirksausschusssitzung des BA18 im neuen Jahr statt, bei der unter Tagesordnungspunkt 3.6.4.1.2 wieder einmal über die Umnutzung des alten Ärztehauses am Candidplatz diskutiert wurde. Der neue Antrag, der von Ehret und Klein eingebracht wurde, sieht neuerdings vor, Teile des Gebäudes in Wohnraum für Auszubildende umzubauen.

Ein Nachbar, der vor Ort war, stellte sich zurecht die Frage: Wie ist es denn möglich, dass das Ärztehaus plötzlich trotz bestehendem Bebauungsplan für eine reine Gewerbeimmobilie als Wohnimmobilie umgenutzt werden kann? Und was könnten die Interessen des Investors dahinter sein? Genau das diskutierte er vor Ort – jedoch erst, nachdem ihm das Publikum und ein BA Mitglied einen Redebeitrag erkämpfte, da ihm das Wort verboten werden sollte. Hier lest ihr seinen Bericht.

 


“Zur Frage, wie und warum mir das Wort untersagt wurde, will ich zum Schluss kommen. Vorerst jedoch, hier ein Bericht aus der Sitzung.

Von Green Washing zu Social Washing:

Das Projekt wurde ja bisher groß als grün und modern beworben, gar als neues Wahrzeichen in München! Bisher antwortete die Stadt jedoch nur selektiv auf die Fragen und Anträge der Anwohner, die in Einwohner- und Bürgerversammlungen relevante Fragen zu Themen wie Luft-, und Lärmverschmutzung, dem explodierenden Verkehr und Lebenskosten im Viertel stellten. Auch eine Antwort zur Privatisierung unseres Gesundheitswesens steht noch aus, da der Investor zu den größten Investoren in Deutschland in diesem Bereich gehört. Diese sollen angeblich alle noch dieses Quartal beantwortet werden.

Doch zu großen Teilen stehen die Antworten ja schon fest: Experten hatten zum Beispiel das von Ehret und Klein groß beworbene Begrünungsvorhaben des Baus schlichtweg als “Green Washing” entlarvt: es ist überhaupt nicht umzusetzen, ein leeres Versprechen, um das Vorhaben besser aussehen zu lassen, als es ist. Eine Studie zur Privatisierung braucht es auch nicht: die Folgen sehen wir sowohl in den USA als auch schon in Deutschland, wie diese Reportage von ndr aufgedeckt. Ärzte führen Behandlungen an Patienten durch, da sie dem Profitdruck ihrer Investoren unterliegen – von außen, sieht man den Praxen nicht an, dass sie Investoren gehören.

 

Die Frage des Sozialen bei dem Projekt stand bisher auch im Raum: wozu mehr Büroräume, wenn die Stadt bezahlbare Wohnungen braucht? Hier hieß es bisher: das Gebiet ist reines Gewerbegebiet, eine andere Nutzung sei sowieso ausgeschlossen. Anwohner protestieren bis heute gegen das Vorhaben. Die Bauhöhe und das zugehörige Volumen wurden daher bisher vom Bezirksausschuss selbst abgelehnt.

Nun hieß es aber in der Sitzung: wir wollen sozialen Wohnraum schaffen! Meine Wortmeldung wurde von mir also auf folgendes  beschränkt: Wie es denn möglich wäre, dass das Ärztehaus plötzlich trotz bestehendem Bebauungsplan für eine Gewerbeimmobilie als Wohnraumimmobilie umgenutzt werden könne?

Ist Social Washing mit (angeblich) bezahlbarem Wohnraum – doch der Schlüssel um in die Höhe zu bauen?

Von einem Mitarbeiter der Fa. Ehret und Klein wurde bei dieser BA Sitzung erklärt, dass bereits ein Antrag auf Bauvorentscheid gestellt wurde. Dieser beinhaltet auch eine Befreiung vom bestehenden Bebauungsplan für die o.g. Gewerbeimmobilie.  Nun hat also der Investor eingelenkt – und auf einmal einen Antrag gestellt, der nun doch den Bau von Wohnungen  ermöglichen soll, in Kooperation mit dem “Kolpinghaus” , ein Konzept, das für Auszubildende Wohnraum schaffen will. Das klingt erst einmal toll.  Doch was würde das Annehmen des geänderten Bebauungsplans, der nun also Wohnungen beinhalten soll, zusätzlich bedeuten?

Eine  Befreiung vom Bebauungsplan kann potenziell zu einer Änderung des gesamten Bebauungsplans führen. Und damit eben doch die neue Höhe und das neue Volumen, das der Investor von Anfang an haben wollte, durchbringen! Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Der Investor hat also ein neues trojanisches Pferd gefunden, um am BA vorbei das alte Projekt in all seiner Höhe und dem dazugehörigen Volumen durchzubekommen. Und der BA stimmte in der Sitzung zu. Bei der BA Sitzung wurde dafür gestimmt, dass eine “dauerhafte“ Nutzung als bezahlbarer Wohnraum (was das in € bedeutet ist offen) befürwortent wird. Auch was eine geplante “Aufstockung” des Gebäudekomplexes bedeuten solle, wurde nicht erörtert.

Was genau nun bezahlbar bedeutet und für wie lange – das wurde zudem nicht einmal besprochen. Der Investor musste für nichts garantieren, nichts versprechen. Im Zusammenhang mit einer weiteren Sorge über die steigende PKW-Anzahl im Viertel (Stellplatzverordnung), wurde von o.g. Mitarbeiter von Ehret und Klein auch wieder nur die Behauptung aufgestellt, dass Auszubildende ja eh keine Autos haben würden. Ich hätte ihn gerne gefragt, wo er denn lebe.

BA Vorsitzende verbietet Anwohnern das Wort

Zu der Frage, wie es überhaupt zu dieser Debatte kam, kann ich mich nur irritiert zeigen. Ich frage mich, in wessen Interesse die Vorsitzende des BA, Frau Dr. Schuster-Brandis hier agiert hat. Am Anfang ignorierte mich die BA Vorsitzende Frau Dr. Schuster-Brandis (B90/Grünen), obwohl andere BA Mitglieder wie auch die stellvertretende Vorsitzende Dr. Heike Kraemer, sie immer wieder auf meine Meldung hinwiesen. Erst nach weiteren Protesten aus dem Publikum gab sie schließlich ihren “Grund” preis:  der Grund dafür wäre, dass ich mich vor Beginn der Sitzung nicht für einen Beitrag angemeldet hätte. Ich protestierte dagegen, denn diese Aussage schien mir völlig ungerechtfertigt! Ich wollte schließlich keinen neuen Tagesordnungspunkt setzen, sondern wie alle Anwohner mein Recht in Anspruch nehmen, etwas zu dem Tagesordnungspunkt, der gerade ja angeblich für uns, die Anwohner(!) vorgetragen wurde.

Es bleiben am Ende zwei Fragen offen: das Projekt wurde bisher als nicht nachhaltig, gar schädlich von den Anwohner*innen und Expert*innen definiert, die Stadt hält sich weiterhin in elementaren Fragen zu Ökologie und Gesundheit der Menschen sowie der Frage der Gentrifizierung bedeckt. Parallel startet nun also der Investor einen neuen Versuch, sein altes Projekt durchzusetzen: Nachdem Expert*innen seine “ökologischen“ Aspekte als Facre entlarvten, setzt er nun also dazu an, den sozialen Aspekt zu nutzen. Es bleibt die Frage, in wessen Interesse hier die Stadt agieren wird, wenn sie das Projekt so durchwinkt.

Wir haben dazu eine Anfrage an den Bezirksausschuss gestellt, mit welchem Recht hier einem Nachbar das Wort verboten wurde, wenn Anwesende als auch andere BA Mitglieder die Meldung des Nachbarn wahrgenommen hatten und diese auch rechtmäßig ist. Hier fragen wir uns, für wen der BA die Sitzungen eigentlich ausrichtet, wenn Anwohner nicht erlaubt wird zu sprechen, während Investoren ihre Milliardenprojekte präsentieren.“